Wenn Journalisten versuchen zu recherchieren

Da war ja am Wochenende die Aufstellungsversammlung der Brandenburger Piraten für unsere Landesliste zur Bundestagswahl 2013.

Und ja, auch ich wollte auf einen der vorderen Plätze und habe mich auch entsprechend vorbereitet. Meine Rede scheint auch gut angekommen zu sein und ich wartete auf die Fragerunde.

Hier wurden Fragen schriftlich eingereicht und davon einige für die Kandidaten ausgelost.

Als ich dran war, habe ich mich etwas über die Fragen gewundert. Nur Fragen zu einer Stasivergangenheit, keinerlei Fragen zu inhaltlichen Themen. Ein Beispiel: „Wann hattest du vor der Partei ehrlich Auskunft über deine Tätigkeit als Mitarbeiter der Staatssicherheit in der DDR zuzugeben, die du vor Kurzem noch bestritten hast?“

Da steht man oben am Rednerpult, ist wie vor den Kopf gestoßen und fragt sich, in welchem Film man eigentlich ist.

Als ich fertig war, nahm mich jemand beiseite und klärte mich auf „Da kursiert ein Papier, aus dem Deine Stasimitarbeit hervorgeht…“ Jenes ominöse Papier bekam ich kurz darauf auch in die Hände. Es war praktisch ein Auszug aus den Stasiakten zu einem Jens Knoblich, zur Person und seinen Tätigkeiten.

Aber das war ein anderer Jens Knoblich. Bis auf den Namen stimmten keine Daten. Mit nur wenigen Mausklicks hätte man das ja recherchieren können, mein Geburtsdatum steht ja schließlich im Wiki.

Bei der mündlichen Fragerunde konnte ich dieses Missverständnis noch etwas geraderücken, aber meine Person war beschädigt, wie man so schön sagt. Die Leute waren verunsichert und es ist zu vermuten, dass mich das auch Stimmen gekostet hat.

Jetzt blieb noch die Frage, wo das herkam.

Ich weiß, dass hier Dr. Stefan Appelius recherchiert hat und eine entsprechende Vermutung bereits vor Monaten gegenüber dem Landesvorstand geäußert hat. Dieser bat darum, dass wenn dieser Vorwurf bewiesen werden kann, um eine entsprechende Mitteilung.
Diese erfolgte nicht.
Statt dessen kursierten seit ein paar Tagen diese Gerüchte um meine angebliche Stasimitarbeit. Mit mir geredet hat niemand.
Und da bin ich wirklich enttäuscht von den Piraten, die davon wussten und nicht das Gespräch mit mir suchten. Wenn wir so weitermachen, sind wir auf dem besten Wege, uns an die Altparteien anzupassen.

Wie war das mit dem „Denke selbst!“?

Aber mehr mache ich dem Stefan Appelius einen Vorwurf. Von ihm kamen die Vorwürfe und er hat für einen Journalisten dermaßen unsauber recherchiert, dass ich einfach nicht glauben kann, dass ihm dieser Fehler einfach so unterlaufen ist. Es ist eher zu vermuten, dass er hier in Strausberg „die Bombe“ platzen lassen wollte, wenn die „doofen Ossis“ einen ehemaligen Stasimann wählen würden.
Anders kann ich mir das sonst nicht erklären, dass sogar ein Pirat mit falschen Informationen nach Strausberg gelockt wurde, weil er da als Verfolgter mal einem Stasimann die entsprechenden Fragen stellen kann. Auch hätte mir Herr Appelius bereits im Vorfeld entsprechende Fragen stellen können, da ich mit ihm im Frühjahr zwei Stunden geredet habe, als er für sein Buch recherchierte.
Da scheint er ja schon Vermutungen gehabt zu haben.

Einigen Piraten wurde im Vorfeld der Aufstellungsversammlung versprochen, dass sie Beweise (sogar mit Foto und Unterschrift)  vorgelegt bekommen würden. Herr Appelius hatte natürlich keine.

Als ich ihn nach dieser „Show“ direkt ansprach, was das solle, antwortete er nur lapidar, dass ich doch froh sein könne, dass sich das noch rechtzeitig vor der Wahl aufgeklärt habe.

Hallo??
Anscheinend haben wir da eine andere Auffassung von rechtzeitig, besonders wenn man berücksichtigt, dass er schon länger dahingehend „recherchiert“ hatte.
Eine Entschuldigung kam ihm nicht über die Lippen.

Für mich stellt sich jetzt noch die Frage, wer die Daten dieses anderen Jens Knoblich an mindestens einen anderen Piraten weitergegeben hat. Dieser Zettel lag mir vor und ich konnte ihn abfotografieren.
Journalisten können bei der BStU recherchieren. Aber dürfen sie die Unterlagen auch weitergeben?
Ich denke eher nicht.

Vielleicht sollte die Piratenfraktion aus Schleswig-Holstein mal die entsprechenden Fragen stellen.
Denn Herr Appelius ist Pressesprecher dieser Fraktion.
Für mich ist er in dieser Funktion nach diesem Wochenende untragbar. Vielleicht erkennt er das selbst und tritt zurück.
Auf eine Entschuldigung von ihm warte ich noch immer.

Update:
Via Twitter kam von Stefan Appelius: “

appgra
@ixylon mein lieber jens, du bekommst deine aufklärung. und für die ganze aufregung bitte ich dich um entschuldigung.
28.10.12 19:25

Update2:
Wir suchen gerade einen Termin, um miteinander zu reden. Das warte ich erst einmal ab.

9 Antworten

  1. Also eine Entschuldigung wäre das absolute Minimum. Auch wenn fraglich ist, ob Dich diese wirklich kurze Diskussion ernsthaft genug Stimmen gekostet hat, um an Deiner Platzierung etwas zu verändern erwarte ich von einem seriösen Journalisten eine saubere Arbeit. Gerade weil er als Pirat selbst erlebt, was die Medien zur Meinungsbildung beitragen, sollte er für diese hinterhältige Attacke auf einen Parteikollegen seinen Hut nehmen und mindestens eine Gegendarstellung veröffentlichen. Eine einfache Entschuldigung reicht da nicht! Hoffentlich hat die ihn umgebende Pressetruppe die Sache auch verfolgt und bringt ihn zur Vernunft. Am Ende siegt die Gerechtigkeit.

  2. Bevor man Vorwürfe mit einer Rücktrittsforderung, „hinterhältig“ und „Gerechtigkeit siegt“ kommentiert, sollte man *immer* sicher sein, beide Seiten gehört zu haben und die Umstände genau zu kennen. Ich kenne nun die Darstellungen beider Seiten und sehe viel Raum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen.

    Und: Fehler passieren. Bedenkt das bitte, bevor ihr Leuten öffentlich Hinterhältigkeit und Vorsatz unterstellt. Geht nicht immer von der übelst möglichen Interpretation aus. Wenn es euch mal trifft, werdet ihr das auch wollen.

  3. Dann sollte dieser Raum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen auch für Richtigstellungen und öffentliche Entschuldigung und Gegendarstellung genügen. Soviel Platz ist da hoffentlich auch noch. Einen Fehler machen… OK, aber einen Fehler zugeben, das fällt manchem leider schwer.

  4. Meines Wissens kommunizieren beide Beteiligte direkt miteinander und wollen die Sache klären. Wartet doch einfach ab und urteilt nicht vorschnell. Das wäre doch genau das, was ihr gerade anprangert.

  5. Richtig. Wir kommunizieren miteinander und ich bin echt auf die Erklärung gespannt. Bis dahin halte ich mich noch etwas zurück.

  6. Früher wurde man schnell zum Nazi deklariert, heute wird man ebenso schnell zum Stasilein. Die Menschheit ändert sich nicht. Von einem Journalisten kann ich etwas mehr Sorgfalt erwarten.

  7. Ja mein geächteter JK, solche Leute, die andere verleumden, sind meist V-Männer bei diversen Diensten. Die BRD-Journaille wird naemlich so schlecht vergütet, dass sie sich alle meist eine einträgliche „Nebenbeschäftigung“ verschaffen…
    horrido! Die unfähigen Behörden lassen gruessen.
    Übrigens, wenn es mit der Politik weiter bergab geht, gruende lieber eine eigne Fa., da faehrst du besser. Kapitalismus ist schliesslich für Kapitalisten da – zuallererst!!!

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