Offener Brief an die Bundesregierung

Die Verhandlungen des Anti Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) in
Luzern Ende Juni wurden erneut im Geheimen geführt, das Ergebnis der
Verhandlungen wurde nicht veröffentlicht. Nachdem selbst Mitgliedern des
Europäischen Parlaments verboten wurde [1], ihre Informationen über ACTA
mit der Öffentlichkeit zu teilen, wie der Abgeordnete Christian Engström
von der Piratenpartei Schweden berichtet, ist es erneut mutigen
Einzelnen zu verdanken [2], dass die Öffentlichkeit über die in ACTA
geplanten Bürgerrechtsverletzungen informiert werden kann.

In Gesprächen mit der Piratenpartei sah sich die Europäische Kommission
nicht in der Verantwortung, Transparenz über die Inhalte zu schaffen.
Dies sei Aufgabe der deutschen Verhandlungsteilnehmer, die nicht durch
die Kommission vertreten seien. Die Bundesregierung gab jedoch an, sehr
wohl durch die Kommission vertreten zu sein und lediglich Beobachter zu
den Verhandlungen geschickt zu haben.

Es ist offensichtlich, dass Kommission und Bundesregierung einander den
schwarzen Peter zuschieben, für die Transparenz der Verhandlungen
gegenüber der deutschen Öffentlichkeit Verantwortung zu übernehmen. Die
Geheimhaltung der ACTA-Verhandlungen zeugt von einem Misstrauen
gegenüber den Bürgern, von denen wiederum blindes Vertrauen in den guten
Willen der Verhandlungspartner eingefordert wird. Diesen untragbaren
Widerspruch prangern wir in unserem offenen Brief an und fordern
Kommission und Bundesregierung auf, die ACTA-Verhandlungen endlich
offenzulegen.

[1]
http://christianengstrom.wordpress.com/2010/07/12/acta-negotiators-inform-the-parliament-in-secret/
[2]
http://www.laquadrature.net/en/new-acta-leak-2010-07-13-consolidated-text-luzern-round

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Offener Brief
an die EU-Kommission und
an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit mehr als zwei Jahren verhandeln Staaten und Staatenbünde unter
Ausschluss der Öffentlichkeit über das Handelsabkommen ACTA, das
Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Nur gelegentlich sickern
inoffiziell Zwischenergebnisse oder vermeintliche Zwischenergebnisse
durch. Erst jüngst hat das Europäische Parlament diese Vorgehensweise
kritisiert und gefordert, die Parlamente über den jeweiligen
Verhandlungsstand zu informieren. Zu den ACTA-Verhandlungen stellen wir
Ihnen im folgenden einige Fragen und bitten Sie um Antworten.

Was sind die Gründe für die Geheimhaltung der ACTA-Verhandlungen?
Geheimhaltung ist dann sinnvoll, wenn man eine Strategie plant und seine
Gegner darüber im Unklaren lassen will. Die Geheimverhandlungen sind
also Ausdruck eines grundsätzlichen Misstrauens gegenüber der
Öffentlichkeit, in deren Interesse Sie handeln sollen.

Gleichzeitig begegnen Sie jeglicher Kritik seitens der Bürgerbewegungen
mit Unverständnis. Sie zeigen sich verwundert über die Bedenken, die
durch die intransparente Verhandlungsführung und das Durchsickern
ungesicherter Informationen erst geschürt werden.

Warum fordern Sie mehr Vertrauen in den guten Willen der
Verhandlungsdelegationen, wenn Sie selbst nicht bereit sind, den Bürgern
ebenfalls Vertrauen entgegenzubringen und den Verhandlungsstand
offenzulegen?

Warum weigern Sie sich, den aktuellen Verhandlungsentwurf zu
veröffentlichen? Damit könnten Sie doch leicht unsere Befürchtungen
entkräften, ACTA verletze Bürgerrechte.

Wir fordern:

* Der aktuelle Verhandlungsstand muss veröffentlicht werden.
* Alle betroffenen Gruppen – Politik, Zivilgesellschaft und Industrie –
müssen in die Verhandlungen einbezogen werden.
* Es muss einen Dialog zwischen den ACTA-Delegationen und der
europäischen Öffentlichkeit geben. Dieser Dialog muss offen, ehrlich und
verständlich sein.

Wir appellieren an Sie: Nehmen Sie die Verantwortung wahr, die Sie
gegenüber den Bürgern Deutschlands und Europas haben!

Wir hoffen auf baldige Antwort und verbleiben
mit freundlichen Grüßen

Piratenpartei Deutschland

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