Ich habe lange nach einer vernünftigen Überschrift gesucht, aber so richtig wollte mir zu dem Vorfall gestern in der Stadtverordnetenversammlung nichts einfallen. Auf Plattitüden wie etwa „kapitalen Bock geschossen“ wollte ich verzichten, obwohl es prima gepasst hätte.
Was war passiert?
Zu Beginn der SVV kam die obligatorische Frage, ob StrausbergTV drehen darf. Die hatten vor Beginn der Sitzung bereits einige Stadtverordnete interviewt. Und zwar konkret zum Thema „Konzept über die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Strausberg“, welches ja auf der Tagesordnung stand.
Alle Stadtverordnete stimmten der Aufzeichnung durch den Lokalsender zu, bis auf Frau Dr. Bock(SPD). Und unsere Geschäftsordnung besagt, dass alle Stadtverordneten der Aufzeichnung zustimmen müssen. Und so musste StrausbergTV wieder unverrichteter Dinge abziehen.
Ich hätte gern mal die Beweggründe von Frau Dr. Bock erfahren, warum sie hier die Öffentlichkeit praktisch ausschließt und sich dieser Form der Information für den Bürger verschließt.
Es war peinlich und eine Farce, den Lokalsender auszuschließen und gleichzeitig über Öffentlichkeitsarbeit zu beraten. Dazu nur ein Zitat aus dem dann beschlossenen Konzept:
„Kommunale Selbstverwaltung ist ohne informierte Bürgerinnen und Bürger nicht denkbar. Daher ist die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit mit einem Höchstmaß an Bürgerorientierung auszuüben.“
Bereits in der letzten Sitzung hatten einige Stadtverordnete ein Problem damit, dass Vertreter des AJP filmen wollten und katapultierten mit der Abstimmung auch gleich noch StrausbergTV aus dem Saal.
An dieser Stelle läuft gehörig was schief. Von den Bürgern Gewählte verweigern sich einem Medium, oft mit der fadenscheinigen Begründung, dass man ja nicht wisse, was mit dem Material angestellt würde… :/
Ich glaube, dass einige noch nicht im Jahr 2012 angekommen sind. Zeitungen lesen nicht mehr viele, wenn sie denn überhaupt das Lokalblättchen abonniert haben. Und gerade hier sollte es die Pflicht der Stadtverordneten sein, möglichst alle Bürger zu erreichen und ihnen die Kommunalpolitik näher zu bringen. Dazu gehört dann auch das Zulassen von Film- und Tonaufnahmen, um diejenigen zu erreichen, die lieber TV konsumieren.
Ich sehe echt schwarz bei so einer Geisteshaltung, wenn ich hier demnächst versuchen will, das Streaming der Sitzungen zu beantragen. Das wird nicht einfach. Aber vorerst sollten wir mal die Geschäftsordnung so abändern, dass Filmaufnahmen nicht von einzelnen Stadtverordneten torpediert werden können.
Update(17.07.2012):
Ich muss zugeben, dass auch ich nicht richtig die Geschäftsordnung(GO) der SVV gelesen habe. Und auch falsch interpretiert habe. Das kann passieren.
Das sollte dem Leiter der Versammlung eigentlich nicht passieren, aber noch weniger sollte eine solche Fehlinterpretation einer Rechtsanwältin unterlaufen.
Ja was für eine Fehlinterpretation?
Ich habe mich mal schlau gemacht, weil ich hier etwas unsicher war.
Der §8 unserer GO regelt die Ton- und Bildaufzeichnungen bei den Sitzungen:
§ 8 Zulässigkeit von Ton- und Bildaufzeichnungen (§ 36 BbgKVerf)
(1) Ton- und Bildübertragungen und Ton- und Bildaufzeichnungen der öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung durch Presse, Rundfunk und ähnliche Medien sind grundsätzlich zulässig.
(2) Absatz 1 gilt für von der Stadtverordnetenversammlung selbst veranlasste Ton- und Bildaufzeichnungen entsprechend.
(3) Im Übrigen sind Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen nur zulässig, wenn alle anwesenden Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung zustimmen.
(4) Zur Erleichterung der Fertigung der Sitzungsniederschrift sind Tonaufzeichnungen der vollständigen Sitzung zulässig. Sie sind gemäß § 42 Abs. 2 Satz 4 BbgKVerf nach der darauf folgenden Sitzung zu löschen.
Der Fehler in der SVV: Wir haben darüber abgestimmt, ob StrausbergTV aufzeichnen darf, dabei besagt der Absatz (1), dass diese Aufzeichnungen der Presse grundsätzlich möglich sind. Grundsätzlich bedeutet hier, dass es auch Ausnahmen von dieser Regel geben kann. Da aber keine Ausnahmen hinsichtlich der Presse definiert wurden, darf die Presse also immer filmen, ohne dass jemand darüber abstimmen kann. Der Absatz (3) gilt dann für „übrige“ Filmer, die nicht unter das Label Presse fallen.
Für mich ist es eine Lehre, die GO in der sitzungsfreien Zeit noch einmal genauer zu studieren, um in solchen Fragen besser vorbereitet zu sein. Was ich auch dem Sitzungspräsidium nur empfehlen kann…
Eine Änderung der GO erübrigt sich somit und vielleicht gibt es ja seitens der SVV eine offizielle Entschuldigung für das Aussperren von StrausbergTV.
3 Responses
Den Mangel bei einer Vielzahl von Stadtverordneten, die eigene Spielregel Geschäftsordnung nicht verinnerlicht zu haben, habe ich in meiner zwanzigjährigen Stadtverordnetentätigkeit permanent beklagt.Offensichtlich hat sich daran bis heute nichts geändert. Bis zum 40. Jahrestag der Wiedervereinigung sind es noch ein par jahre hin.Vieleicht ist ja bis dahin wenigstens das Präsidium der SVV in dieser Sache sattelfest. Apropo sattelfest, der SVV Vorsitzende der ersten Legislatur ab 1990
Herr Dr. Bernd Lisek, hat es schon mal vorgemacht.
Da ich nicht viele der sogen. VOLKSVERTRETER aus SRB kenne, kann man nur entsetzt sein, welche Amateure da an den Suppentoepfen ohne Ahnung und Kompetenz rumwerkeln…
Man sollte jede öfftl. Veranstaltung als STREAMING senden, ganz Recht, und ein LOB an Herrn Winkelmann, den einzigen Kämpfer für law and order, soweit es so etwas in MOL überhaupt gibt…
Glück auf 2013